Der SDNN-Wert gehört zur Liga der klassischen HRV-Werte. Er gibt Auskunft über die Gesamtvariabilität des Herzschlags. An ihm lässt sich ablesen, wie gut das vegetative Nervensystem Vorgänge im Körper regeln kann. In der Kardiologie ist er ein wichtiger Wert für die Einschätzung des Krankheitsverlaufs nach einem Herzinfarkt.
Der volle Name sagt schon, um was es sich bei der SDNN handelt – Standard Deviation of the NN Intervall, zu Deutsch: Standardabweichung der RR-Intervalle. Der sperrige Name beschreibt nichts anderes, als dass die Berechnungsgrundlage der zeitliche Abstand zwischen den höchsten Spitzen in der EKG-Aufzeichnung ist und die durchschnittliche Streuung um den Mittelwert der NN- bzw. RR-Intervalle berechnet wird. Entnehmen kann man ihm auch, dass es sich um einen zeitbezogenen Wert handelt. Genauso wie der RMSSD-Wert beruht die Berechnung der SDNN auf einer Formel der Statistik.
Die SDNN und andere HRV-Werte
“Auch wenn man HRV-Werte nie einzeln betrachten sollte, mit der Betrachtung der SDNN lässt sich bereits einiges über den gesundheitlichen Zustand aussagen”, erzählt Bernd Heiler, Heilpraktiker für Psychotherapie, aus seiner Praxis in München. Wie gut das vegetative Nervensystem die Abläufe im Körper regeln kann, zeigt der Wert der SDNN an. “An den Werten erkenne ich, wie das Zusammenspiel von Sympathikus und Parasympathikus ist. Für einen Befund ist es sinnvoll, immer auch noch nach anderen Werten zu schauen. RMSSD, pNN50 und pNN10 sind auch zeitanalytische Werte. Sie liefern mir eine genauere Einschätzung über die Erholungsfähigkeit, denn sie spiegeln das Wirken des Parasympathikus wider.”
Bei den frequenzanalytischen Werten ist die Total-Power mit dem SDNN-Wert vergleichbar. “Sind beide Werte hoch, so ist das ein gutes Zeichen. Anfänger können mit einem Vergleich der beiden Werte auch eventuelle Messfehler ausschließen.”
SDNN-Normwerte nur als Anhaltspunkt
Machen Sie sich keine falschen Hoffnungen bei dieser Zwischenüberschrift. Auch wenn sie das HRV-Leben leichter machen würden, im Praxisalltag sollten Normwerte nur als Orientierung dienen. “In meinem Praxisalltag stelle ich immer wieder fest, dass viele publizierte Werte von meinen Patienten nur schwer erreicht werden können. Wenn ich beispielsweise die Werte von Dr. med. Doris Eller-Berndl aus ihrem Buch zugrunde lege, dann fallen die meisten in den Streubereich”, berichtet Bernd Heiler aus seinem Praxisalltag.
Im Buch Herzratenvariabilität von Dr. med Doris Eller-Berndl befindet sich eine Tabelle mit SDNN-Werten. Grundlage für die Berechnung ist eine 24-Stunden-Messung mit annähernd gleicher Aktivität:
Alter (Jahre) | SDNN (ms) |
10 – 19 | 176 ± 38 |
20 – 29 | 153 ± 44 |
30 – 39 | 143 ± 32 |
40 – 49 | 132 ± 30 |
50 – 59 | 121 ± 27 |
60 – 69 | 121 ± 32 |
70 – 79 | 124 ± 22 |
80 – 99 | 106 ± 23 |
(Quelle: Herzratenvariabilität, Doris Eller-Berndl, Seite 30)
“Bei einem schlechteren Wert fällt kein Mensch sofort tot vom Stuhl. In meiner Praxis nehme ich die Normwerte als Anhaltspunkt. Viel interessanter und aufschlussreicher ist für mich die Veränderung der Werte während meiner Therapie. Anhand der Ergebnisse kann ich sehen, ob es zu einer Verbesserung oder Verschlechterung kommt”, kommentiert Bernd Heiler die Normwerte.
Einflüsse von Alter, Geschlecht, Tag und Nacht
Männer haben einen höheren SDNN-Wert als Frauen. Mit dem Alter, das beginnt ungefähr mit fünfzig Jahren, gleichen sich die Geschlechter immer weiter an. In der Nacht ist der Unterschied zwischen Männer und Frauen größer. Mit dem Rentenalter kommt es auch hier zu einer Angleichung.
“Vor allem in Langzeitmessungen ist für mich der SDNN-Wert interessant. Vergleiche von Tag und Nacht geben mir einen Aufschluss, wie gut sich der Körper während des Schlafens regenerieren kann”, berichtet Bernd Heiler.
SDNN in der Kardiologie
Schaut man sich Studien an, so können die Werte der SDNN Aufschluss über den weiteren Krankheitsverlauf geben. Werte unter 50 ms (bezogen auf 24 Stunden) stehen für eine starke Einschränkung der Herzratenvariabilität (HRV), was bei Herzinfarkt- und Herzinsuffizienzpatienten mit einem erhöhten Sterberisiko einhergeht. Eine deutliche Verringerung gibt es erst ab Werten um die 100 ms (bezogen auf 24 Stunden).
Was es bei der Messung zu beachten gibt
Bei einer Messung werden während der gesamten Dauer die Abstände zwischen den R-Zacken erfasst. Das bedeutet, dass der SDNN-Wert mit der Länge der Messzeit steigt, weil unterschiedliche Aktivitätspegel einfließen. “Im Praxisalltag dürfen also nur Werte mit der gleichen Messdauer und ähnlicher Aktivität verglichen werden”, so Bernd Heiler. “Wichtig ist dann vor allem bei Kurzzeitmessungen, dass immer die gleichen Messbedingungen eingehalten werden. Es macht einen großen Unterschied, ob z. B. im Liegen oder Stehen gemessen wurde. Bei Langzeitmessungen bitte ich meine Patienten, körperlich anstrengende Tätigkeiten während der Messung zu vermeiden, wenn sie nicht zu ihrem Alltag gehören. Denn je unterschiedlicher der Aktivitätslevel ist, umso höher ist auch der SDNN-Wert. Bei Werten wie der SDNN kann ich so Verfälschungen besser ausschließen.”
Fazit von Bernd Heiler
“Unter den Experten befinden sich viele Fans für die zeitbezogenen HRV-Werte. Für sie ist die SDNN neben dem RMSSD-Wert ein wichtiger Parameter. Es gibt auch HRV-Geräte, die nur mit diesen Werten arbeiten, also die frequenzanalytischen HRV-Werte, wie z. B. HF und LF, gar nicht erheben. In meiner täglichen Praxis mache ich mehr kurze Messungen, da ist der SDNN-Wert genauso wichtig wie andere Werte. Bei Langzeitmessungen schaue ich ihn mir genauer an. Vor allem der Tag-Nacht-Vergleich ist für mich dabei sehr aufschlussreich.”